PRESSEMITTEILUNG

„Schildkröten helfen, Empathie zu wecken“

Harte Schale - weicher Kern: Schildkröten unterstützen Vera Buddendieck dabei, einen Zugang zu den Gefühlswelten ihrer Klienten zu bekommen. Foto: iStock / SolStock

Mittwoch, 07. Oktober 2020

 

„Mit Schildkröten kann ich in der tiergestützten Arbeit Empathie wecken und Gefühle hervorrufen“, sagt Vera Buddendieck, Erzieherin und Absolventin des Instituts für soziales Lernen mit Tieren. Seit zwei Jahren setzt die 26-Jährige drei griechische Landschildkröten in ihrer Arbeit ein, um Zugang zu den Gefühlswelten ihrer jungen Klienten zu bekommen.

 

Frau Buddendieck, welche Eigenschaften haben Schildkröten, die sie besonders für Ihre Kinder- und Jugendarbeit prädestinieren?

Zunächst einmal wecken Schildkröten grundsätzlich großes Interesse bei Kindern und Jugendlichen. Sie werden als exotisch betrachtet, etwas Besonderes, das sind Tiere, die nicht jeder hat. Anders als Kaninchen, Meerschweinchen oder Hunde. Außerdem haben Schildkröten kein Fell und eignen sich damit auch für Tierhaar-Allergiker. Ein weiterer interessanter Faktor ist, dass Schildkröten in ihren Bewegungen relativ berechenbar sind. Klienten, die kaum Erfahrung mit Tieren haben, empfinden die wenig aufdringliche Art der Schildkröten als angenehm. Da sie weder Stress noch Hektik mögen, müssen die Kinder sehr ruhig werden, wenn sie eine Schildkröte auf der Hand halten möchten. Auch zeigen die Tiere nicht so offen ihre Zuneigung, wie man es zum Beispiel von Hunden gewohnt ist. Dieses zurückhaltende Wesen von Schildkröten ist für mich ein Anknüpfungspunkt, mit den Klienten ins Gespräch zu kommen.

 

In welchen Situationen setzen Sie bevorzugt Schildkröten ein?

Ich arbeite viel mit Klienten aus der Kinder- und Jugendhilfe. Dort geht es häufig darum, dass die Kinder ihre Gefühle bewusst oder unbewusst verbergen. Sie versuchen, sich möglichst nicht anmerken zu lassen, ob sie gerade traurig, einsam oder von einer Situation in ihrem Umfeld emotional betroffen oder gar überfordert sind. Ähnlich wie Schildkröten haben also auch sie eine Art „Schutzpanzer“ aufgebaut. Das Ziel der Begegnungen mit den Schildkröten ist, den Kindern und Jugendlichen Wege aufzuzeigen, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen können. Dabei nutze ich die Schildkröten als Türöffner, um mit den Klienten über ihre Gefühle ins Gespräch zu kommen. Ich erzähle ihnen, dass Schildkröten eine harte Schale haben –  aber einen weichen Kern. Ich erläutere, dass Schildkröten nicht zeigen, was sie fühlen – aber dass sie natürlich trotzdem Gefühle haben. Davon fühlen sich viele Klienten, mit denen ich arbeite, angesprochen und sie ziehen durch die Betrachtung der Schildkröte, durch das Beobachten des distanzierten Verhaltens dieser Tiere Parallelen zu sich selbst. Anschließend fällt es ihnen oft leichter, über ihre Gefühlswelten zu sprechen. Die Tiere unterstützen mich also dabei, einen emotionalen Zugang zu den Kindern und Jugendlichen zu schaffen.

 

Was muss zum Schutz der Tiere beachtet werden?

Schildkröten sind sehr ortsgebundene Tiere. Ich verwende eine im Gehege integrierte, bepflanzte Transportschale, so fühlen sich die Schildkröten wohl. Schildkröten halten Distanz, sie sind nicht geeignet in Begegnungen, bei denen Kinder das Bedürfnis nach Kuscheln und Nähe ausleben wollen. Schildkröten zu streicheln oder auf die Hand zu nehmen, ist nur in Einzelfällen möglich, sie zu füttern und zu beobachten dagegen ist nach meiner Erfahrung immer umsetzbar.

 

Vera Buddendieck l Tierisch nah l tierischnah@gmx.de l www.tierisch-nah.de

 

Altenpflege

Tiergestützte Therapie: Mit Tieren mehr Zugang zu Demenzkranken

© Friederike Husmann Tierischer Besuch: Vera Buddendieck mit Hercules bei Alice-Alma Glemnitz und Edith Ketteler (v.r.)

19.12.2017

Vera Buddendieck aus Bad Laer bei Osnabrück bietet mit ihren Tieren tiergestützte Maßnahmen an. Wie sie mit einem Shetlandpony demenzkranken Menschen hilft.

Mit eifrigen Trippelschritten zuckelt Hercules über den rutschfesten Fußboden den Flur entlang. Das Mini-Shetlandpony betritt den Gruppenraum im Alten- und Pflegeheim in Osnabrück. Als es mit neugierig gespitzten Ohren in die Runde schaut, ertönen von den Sitzen im Stuhlkreis entzückte „Oh“- und „Ah“- Rufe.

Hercules Besitzerin Vera Buddendieck arbeitet in dem Alten- und Pflegeheim. Der kleine Wallach hilft ihr, einen Zugang zu den häufig demenzkranken Menschen zu finden oder einfach nur ihren Tagesablauf abwechslungsreicher zu gestalten.

Vera ist Fachkraft für tiergestützte Intervention

Die 23-jährige Vera ist gelernte Erzieherin, hat aber Anfang des Jahres ihre berufsbegleitende Ausbildung zur Fachkraft für tiergestützte Intervention abgeschlossen. „Ich wollte mich gern weiterbilden, aber unbedingt was mit Tieren machen“, erzählt die junge Frau, die auf einem Bauernhof aufgewachsen ist.

In einer Intensivwohngruppe für Jugendliche, die auf einem Hof mit Tieren beheimatet war, entdeckte sie die Vorteile, die eine tiergestützte Pädagogik mit sich bringen kann. Dass Tiere Menschen gegenüber keine Vorurteile haben und ihnen offen und aufgeschlossen begegnen, wenn sie gut behandelt werden, sei der Schlüssel zur tierbegleiteten Förderung.

Insgesamt 220 Ausbildungsstunden hat Vera Buddendieck in ihre Weiterbildung am „Institut für soziales Lernen mit Tieren“ bei Hannover investiert. An den Wochenenden oder in Blockwochen werden dort innerhalb von 16 Monaten die Grundlagen der tiergestützten Intervention vermittelt.

Tiergestützte Therapie für Demenzkranke und Autisten

Voraussetzung für die Teilnahme sind eine abgeschlossene Berufsausbildung und zwei Jahre Berufserfahrung in einem Beruf der Sparten Pflege, Therapie, Pädagogik, Theologie oder Medizin. Welche Tiere sich für tiergestützte Maßnahmen eignen, kann Vera Buddendieck pauschal nicht sagen. „Tiere sind, genau wie wir Menschen, in ihren Eigenschaften völlig verschieden und gerade das ist manchmal das Geheimnis.“

Die Chemie müsse stimmen, ist sie sich sicher. „Hercules macht beispielsweise super mit bei unseren Besuchen in Pflegeheimen. Er ist ruhig, sehr geduldig  und nicht ängstlich, auch wenn er sich in einem engen Raum befindet“, beschreibt Vera die Vorzüge ihres Ponys.  

Die Erzieherin arbeitet Vollzeit in der Jugendhilfe und hat sich vor einem halben Jahr nebenbei mit ihren Tieren selbstständig gemacht. Zu ihrem „kleinen Zoo“, wie sie ihre tierischen Freunde liebevoll nennt, gehören neben Pony Hercules ein zweites, größeres Pony namens Mary, zwei Meerschweinchen und drei Schildkröten. Letztere eigneten sich besonders gut für die Arbeit mit Autisten, weiß die tierliebe, junge Frau.

„Für jeden Menschen  gibt es das passende Tier“, erklärt Vera, deren Ponys bei ihrem Onkel Franz Paul untergebracht sind, der mehrere Pflegeheime in Osnabrück unterhält. Er war es auch, der sie auf die Idee gebracht hat, mit ihren Tieren die Bewohner dort zu besuchen.

 

...

 

Mehr zum Thema lesen Sie in der LAND & Forst 51/2017.


Ponyfell kitzelt an den Füßen: Tierischer Besuch bei der St.-Johann-Behindertenhilfe


Osnabrück. Ein ganz neues Erlebnis für die Kinder und Jugendlichen in der St.-Johann-Behindertenhilfe Osnabrück: Jetzt bekamen sie Besuch von Vera Buddendieck, Fachkraft für Tiergestützte Intervention und ihrem Mini-Shetlandpony Hercules.

Melina (7), Lukas (14), Diana (7), Justin (12) und Joy (7) sitzen in ihren Rollstühlen, die kleine Mila (2) im Kinderwagen, im Innenhof an der Johannisstraße. Auch ihre Betreuer und Eltern sind da und warten auf den tierischen Besuch. Gespannt ist auch Einrichtungsleiter Dietmar Plagge, der zum Hintergrund der St.-Johann-Behindertenhilfe erklärt: „Diese Kinder haben, wie viele unserer Bewohner, schwere mehrfache Behinderungen, geistig mit Folgebehinderungen wie Taubheit oder Blindheit.“

Endlich ist es soweit: Vera Buddendiek passiert im Auto mit Anhänger das Tor zur Einrichtung neben der Johanniskirche. Als sie die Luke öffnet, kommt der 84 Zentimeter kleine, braune, robuste Hercules herausspaziert und wiehert erst einmal laut. Schon hat er Aufmerksamkeit und Sympathie auf sich gezogen. Inzwischen sind auch weitere Jugendliche Bewohner in den Innenhof gekommen. Sie wollen Hercules streicheln und ihn am Seil in der Runde führen. Doch zuerst sind Joy, Justin und die anderen jüngeren Kinder an der Reihe. Diejenigen, die das Pony aufgrund eingeschränkter Motorik nicht mit den Händen berühren können, streifen es mit den Füßen. Joy lässt sogar ihr geliebtes Stoffpony Shadow im Stich, als Hercules vor ihr steht. „Sie findet den Schweif des Ponys ganz toll“, stellt ihre Mutter Jennifer Kröner schmunzelnd fest.

Entkrampfend

Dass die Anwesenheit des Ponys den Kindern gut tut, erkenne man auch an ihren Gesichtern, die sich entspannen, so Dietmar Plagge. „Der Kontakt zu Tieren bietet den Kindern nicht nur Abwechslung und Lebensfreude, sondern wirkt beruhigend und entkrampfend und fördert im Bereich der Sinneswahrnehmung, der Motorik und der Kognition“, ist Vera Buddendieck überzeugt. An diesem Nachmittag hat sie Pony Hercules nach Osnabrück mitgebracht, zu ihrem Team der Tiergestützten Intervention gehören aber auch Meerschweinchen und Schildkröten. „Nicht jede Person harmoniert mit jedem Tier. Mit meinen unterschiedlichen tierischen Kollegen versuche ich, für möglichst viele Personen den richtigen Tierpartner zu finden“, erklärt sie.

Dietmar Plagge und seine Mitarbeiter sind von dem Besuch der Fachkraft für Tiergestützte Intervention begeistert. Ob er aber zukünftig zu einer festen Institution in der St.-Johann-Behindertenhilfe werden kann, ist fraglich: „Wir wünschen unseren jungen Bewohnern viele Möglichkeiten, aber wirtschaftlich sind uns da leider Grenzen gesetzt. Die Leistungen der Pflegekassen umfassen derartige Angebote nicht“, bedauert der Einrichtungsleiter.

Die St.-Johann-Behindertenhilfe bietet zusammen mit ihren zwei Außenwohngruppen in Osnabrück-Lechtingen und -Voxtrup und 88 Mitarbeitern insgesamt 51 Plätze für Kinder und Jugendliche mit insbesondere schwersten Behinderungen.

Fühlen statt Sehen

Anstelle von sprachlicher Kommunikation oder Sehen trete bei ihnen die haptische Wahrnehmung und auch das Riechen. Deswegen sei die Begegnung mit Tieren wertvoll für die Kinder, die deren weiches Fell erfühlen oder deren so anderen Geruch wahrnehmen können.


 

Am 31.August 2016 besuchte ich mit meinem Minishetty Hercules das Paulusheim in Osnabrück. Hierzu war die Presse geladen und verfasste einen Artikel über meine Tätigkeit und die Anderer, die mit Tieren in einem Pflegeheim arbeiten.

 

Im Trab durchs Pflegeheim

Wenn Menschen in der Therapie auf Grenzen stoßen, kommt Shetlandpony Hercules zum Einsatz

Meppener Tagespost/ 31 Aug 2016


 

Hercules trabt durch das Paulusheim, er geht ohne Zögern auf die Bewohner zu, beschnuppert sie und lässt sich von ihnen streicheln. Das Shetlandpony kann bei der Arbeit mit Patienten ein Schlüssel sein, sagt seine Besitzerin Vera Buddendieck.

Von Johanna Lügermann

OSNABRÜCK. Hunde, Hühner und ein Pony – tierischer Besuch steht im Paulusheim in Osnabrück auf der Tagesordnung. Geschäftsführer Franz Paul ist sich sicher, dass die Tiere nicht nur „dem Alltag der Bewohner viele gute Tage hinzufügen“, sondern auch Therapien voranbringen. Deshalb hat er die Besuchszeiten im Pflegeheim etabliert. Bis ans Bett kommen die Tiere – auch Shetlandpony Hercules, für den eine Fahrt im Aufzug kein Problem ist. Er fühlt sich im Garten des Paulusheims offenbar genauso wohl wie in den Fluren und Zimmern. Die Bewohner, die Hercules trifft, beschnuppert er. Manchmal bekommen sie von seiner Besitzerin Vera Buddendieck ein Leckerchen, das Hercules ihnen vorsichtig aus der Hand nimmt. Das Pony hat keine Berührungsängste, schmiegt seinen Kopf an fremde Menschen, bis ihm langweilig wird. Dann zieht er am Strick, um die Umgebung zu erkunden.

Näher als Menschen

Angefangen haben die tierischen Besuche in der Pflegeeinrichtung mit Ponys, die seit 1999 an St. Martin ins Paulusheim kommen. Paul bemerkte die positiven Reaktionen der Bewohner, ein Moment blieb ihm besonders in Erinnerung: Ein Mädchen im Wachkoma streckte das erste Mal seine Hand wieder aus, als es die Wärme aus den Nüstern auf der Haut spürte.

Die Tiere bieten neue Kontaktpunkte, erklärt der Geschäftsführer. Die Bewohner können sie riechen und anfassen, damit kommen sie ihnen näher als den meisten Menschen. Seine Seidenhühner wecken auch bei einigen Patienten Erinnerungen, die einmal selbst Hühner hatten.

„Tiere sind außerdem authentisch. Sie bemerken nicht die Einschränkungen, die Menschen oft zuerst sehen“, sagt die Nichte des Geschäftsführers, Vera Buddendieck. Die gelernte Erzieherin macht eine berufsbegleitende Ausbildung für tiergestützte Intervention und trainiert mit Hercules für seine Aufgabe im Paulusheim. Das neunjährige Pony kommt aus dem Zirkus und kann einige Tricks. Doch wichtiger als eine Drehung auf Kommando oder Hufe geben sei, dass es lange Zeit ruhig stehe. Denn Hercules soll von den Bewohnern nicht nur gestreichelt, sondern auch gefüttert und geputzt werden. Buddendieck plant auch Spaziergänge mit dem Pony. „Patienten können Verantwortung für das Tier übernehmen, das ist ein wichtiger Aspekt“, sagt sie. So ändere sich der Fokus, und die Krankheit stehe jedenfalls für den Moment nicht im Mittelpunkt.

Die Anwesenheit der Tiere wirkt nicht nur während ihres Besuchs, sagt Ergotherapeutin Verena Möller. Sie ist mit ihren Hunden fast täglich im Paulusheim. Die Vorfreude auf die Hunde sei immer groß. Zudem würden die Tiere die Kommunikation fördern: „Die Bewohner haben ein neues Gesprächsthema. Sie erzählen sich untereinander mehr und auch ihren Angehörigen“, sagt Möller.

Patienten würden immer nach den Hunden fragen, wenn sie einmal nicht mitkommen. Dabei müssen sie für eine tiergestützte Therapie nicht bei jedem Treffen dabei sein. „Manchmal basteln wir Spielzeuge wie einen Schnüffelteppich. Dabei entdecken die Patienten motorische Fähigkeiten wieder“, sagt sie.

Weitere tierische Helfer

Die Motivation, etwas für das Tier zu machen, sei oft größer, als etwas für sich selbst zu tun. Es gebe sogar Patienten, bei denen Angehörige und Pfleger keinen Zugang fänden, die aber schon im ersten Moment positiv auf einen Hund reagieren. „Eine Frau, die keine Berührung mehr zugelassen hat, ließ sich meinen Hund auf den Schoß setzen“, sagt Möller. Ein wichtiger Schritt für die Therapie.

Und welche Voraussetzungen muss ein Tier als Therapiehelfer mitbringen? „Das meiste muss das Herrchen oder Frauchen können“, sagt Möller. Diese sorgen für die Ausbildung und müssen Tiere sowie Patienten genau beobachten. Sie sollten außerdem ein Gespür für die Belastbarkeit ihrer Helfer entwickeln. Wenn Tiere eine ruhige Art haben, sei dies eine gute Voraussetzung. Dafür kommen nicht nur Hunde und Ponys infrage. Gute Erfahrungen hat Buddendieck mit Schildkröten in der Therapie gemacht. Sie eigneten sich besonders für die Arbeit mit Autisten. Buddendieck möchte die Gruppe ihrer tierischen Helfer künftig noch erweitern. Bald sollen sie und Hercules auch Schafe ins Paulusheim begleiten.


 

 

 

 

Quelle: noz.de/tierwelten

 

Fotos: Jörn MartensDas neugierige Shetlandpony Hercules nimmt schnell Kontakt auf. Im Paulusheim soll es bald regelmäßig zu Gast sein.

 

 

 


Quelle: NOZ Osnabrück vom 07.09.2017